Karl Stephan war einer
der drei Zeichner, die den deutschen Science Fiction-Heftreihen
in den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ihren Stempel aufdrückten. Die anderen zwei waren Johnny Bruck, der mit
Perry Rhodan berühmt wurde, und Rudolf Sieber-Lonati, der sich neben
der SF auch erfolgreich mit Bildern für Kriminal- und Gruselromane auf dem Markt behauptete.
Hauptsächlich zeichnete Stephan für den Moewig Verlag in den Reihen Terra, Terra Extra, Terra Nova, Terra Sonderband und Terra Taschenbuch.
Dazu kamen auch Titelbilder für die Moewig-Reihen Kriminalroman, Fliegergeschichten, Soldaten-geschichten sowie PS Auto- und Motorrad-geschichten
aus aller Welt. Eine logische Wahl, denn Stephan hatte eine Berufsausbildung im Flugzeugbau und war im Krieg als Motorflieger und später als
Fluglehrer tätig. Auch für den Pabel Verlag zeichnete Stephan SF-Titelbilder für die Reihen Utopia, Utopia Großband und Utopia Magazin.
Hier verwendete er allerdings meistens das Pseudonym K. Albrecht. Bei Pabel wurde Stephan Anfang der sechziger Jahre von Rudolf Sieber-Lonati
abgelöst. Als der Heyne Verlag Ende der sechziger Jahre innerhalb seiner SF-Taschenbuchreihe die Subreihe SF-Classics startete, war Stephan
als Hauptzeichner wieder dabei. Der Moewig Verlag war zu dieser Zeit ein Tochterverlag von Heyne. Stephan war auch als Titelbildzeichner für
den Dörner Verlag (Leihbücher), Franz Schneider Verlag (Jugendbücher), für die SF-Titel in der Heyne Jugend-Taschenbuchreihe sowie für diverse
Technik-Zeitschriften und -Buchreihen tätig.
In der Moewig SF-Hauptreihe Terra, die von 1957 bis 1968 lief und 555 Nummern erreichte, wechselte sich Stephan mit Bruck als Titelbildzeichner
etwa 1:1 ab, was der Reihe durch den unterschiedlichen Stil der beiden Zeichner ein sehr schönes abwechslungsreiches Outfit gab. Die Nachdruckreihe
Terra Extra wurde anfangs nur von Bruck gestaltet, Stephan löste Bruck für die letzten zwanzig Bände der 182 Nummern ab. In Terra Nova, die Terra und
Terra Extra als Nachfolgereihe von 1968 - 1971 zusammenführte und 190 Titel erreichte, war Stephan mit ca. 160 Titelbildern der Hauptzeicher.
Bruck wurde hauptsächlich für die hier als Sonderbände bezeichneten Nachdrucke eingesetzt. Auch in der Reihe Terra Sonderband (nicht zu verwechseln
mit den vorgenannten Sonderbänden in Terra Nova) war Stephan mit ca. 75 Titelbildern Hauptzeichner, die restlichen Bilder kamen von
Johnny Bruck.
Der Terra Sonderband wurde mit Band 99 nahtlos durch das Terra Taschenbuch ersetzt. Bis auf die zwölf Titel zur Fernsehserie Raumschiff Orion,
die im Terra TB erschienen und für die Filmfotos verwendet wurden, zwei Bilder, bei denen Johnny Bruck einsprang, sowie zwei bis drei weitere Bilder
zeichnete Stephan alle Titelbilder der Terra Taschenbücher bis zu ihrer vorläufigen Einstellung mit Band 184. Die Gesamtzahl der von ihm produzierten
Titelbilder ist nicht ganz einfach zu ermitteln, weil speziell in den Utopia-Reihen verschiedene Zeichner am Werk waren und auch Titelbilder von
amerikanischen und italienischen Reihen übernommen wurden. Rechnet man aber grob zusammen und tut noch etwas für die Nicht-SF-Publikationen dazu,
hat Stephan wahrscheinlich mehr als 800 Titelbilder gestaltet. Das ist durchaus beachtlich, zumal die Malerei nicht der einzige Tätigkeitsbereich
Stephans war. Nachdem Heyne den Moewig Verlag an Pabel verkauft hatte, wurde Terra Nova 1971 eingestellt und durch Terra Astra ersetzt, das Terra
Taschenbuch hatte für einige Monate einen Produktionsstopp. In Terra Astra wurde der Engländer Eddie Jones Nachfolger für Karl Stephan, die Terra
Taschenbücher bekamen ab Band 185 Titelbilder verschiedener internationaler Zeichner. Stephan blieb für einige Jahre nur noch das Geschäft mit den
Heyne SF Classics, wo seine Bilder hervorragend passten. Denn sie strahlten Steampunk-Nostalgie aus. Seine Raumschiffe ähnelten oft Zeppelinen
(z.B. Terra 93), oft waren auch Flugzeuge zu sehen.
Die dargestellten Personen passten in ihrem Outfit eher in Kriminalromane der fünfziger Jahre als in Science Fiction-Geschichten
(z.B. Utopia 163).
Die Darstellung der Personen war eindeutig die Schwäche des Technikers Stephan. Mir kam vor, dass die Titelbilder irgendwie immer gleich aussahen
und eher statisch wirkten. Dann begann ich der Sache auf den Grund zu gehen und fand heraus, dass Stephan eine Anzahl von Figuren mit unterschiedlichen
Körperhaltungen und Gesichtsausdrücken kreiert hatte, die er in seinen Bildern immer wieder in verschiedenen Kombinationen verwendete. Manchmal wurden
in einem Bild bis zu drei dieser vorgefertigten Figuren eingebaut. Das führte gelegentlich zu skurrilen Ergebnissen, wie wenn beispielsweise ein Mann
die Hände so hält, als würde er etwas tragen, aber tatsächlich nichts in den Händen hat
(z.B. Terra Nova 155). Diese Technik
der Wiederverwendung eigener Figuren kann man als "Eigenplagiat" bezeichnen. Dies ist ein Unterschied zu Johnny Bruck, der für seine Bilder alle
möglichen Quellen als Vorlagen heranzog und damit ein viel abwechslungsreicheres Outfit erzeugte. Die Wiederverwendungen eigener Motive werden in
den hier gezeigten Beispielen ausführlich dokumentiert.
Während die Bilder in der ersten Terra Reihe recht farbenfroh waren und in ihrer späteren Phase durch den gelegentlichen Einbau von Collagen
(z.B. Terra 509) noch abwechslungsreicher wurden,
beging man in der Nachfolgereihe Terra Nova den Fehler, ein ähnliches Outfit wie bei Terra Extra zu
wählen und die Bilder mit weißem Hintergrund zu belassen. Kombiniert mit der streng
wirkenden Schriftart war dies keine Gestaltung, die wirklich tauglich für eine SF-Reihe war, die Futurismus ausstrahlen sollte. Möglicherweise
war dies auch der Grund für die Ablöse Stephans, denn die Verlagsverantwortlichen des Bauer Konzernes, zu dem der Pabel Verlag gehörte,
wollten wahrscheinlich nach dem Kauf des Moewig Verlages eine moderner wirkende Gestaltung. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Stephans
Nachfolger Eddie Jones für das Zeichnen von Gesichtern ebenfalls nicht
wirklich begabt war, allerdings waren seine Raumschiffe beeindruckend.
Die Bilder Karl Stephans mag ich trotz seiner Schwächen noch heute sehr gerne. Sie wecken bei mir nostalgische Gefühle, denn ich lernte vor mehr
als fünfzig Jahren in der Zeit kennen, als ich SF zu lesen begann.
Abgesehen von seinem unverwechselbaren Stil sind viele der Bilder Stephans leicht dadurch zu erkennen, dass er sie signierte. In den ersten Jahren
benutzte er eine Signatur in geschwungener Schreibschrift, in seiner späteren Phase mit Druck-buchstaben.
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